Geschichte der Vielseitigkeit

Von der Military zur Krone der Reiterei

Inhalt:

  1. Allgemeines
  2. Geschichte
  3. Olympische Medaillen
  4. Details/ Beispiele

(Bild: Alfred Blaser 1948 in London)

Allgemeines:

Vielseitigkeit: früher "Military", heute "Vielseitigkeit" oder "Eventing". 

Die Technische internationale Sportnomenklatura bezeichnet die Vielseitigkeit als: Concours Complet oder kurz: CC.

Eine Vielseitigkeit besteht aus den Teilprüfungen: Dressur, Geländeritt und Springen

Geländeritt

=Querfeldeinstrecke, Q-Strecke, Cross Country Course) mit Naturhindernissen

  • in einer vorgegebenen Zeit zu absolvieren
  • das Überschreiten der Zeit kostet Strafpunkte
  • bis 2004:
    • Wegestrecke: 4.800 bis 7.200 m (Trab)
    • Rennbahn: ca. 3.600 m mit 8-10 Hindernissen, 40 km/h (670 m/min)
    • Wegestrecke: 6.000 bis 9.000 m (Trab)
    • Querfeldeinstrecke: 5.000 bis 8.000 m (500 m/min)

(Bild: Mario Mylius 1936 in Berlin)

Geschichte:

1912 als "Military" in das Olympische Programm aufgenommen.

Sie entstand aus dem Ausbildungsprogramm der Kavallerie und wurde am Ende der Ausbildung von Reiter und Pferd abgelegt. Die Prüfung war auch für die Zuchtauswahl von Pferden für den militärischen Bedarf von Bedeutung.

Damals sollte sie die unterschiedlichsten Anforderungen an Armeepferde im Wettkampf repräsentieren und blieb bis 1948 eine Domäne für Offiziere. Dabei erwiesen sich nicht die großen Kavallerie-Nationen, sondern Schweden und die Niederlande als die Erfolgreichsten.

1924: Die 3-Teilung in Dressur/ Springen/ Geländeprüfung entstand 1924 bei Olympia in Paris, als die 1921 gegründete FEI (Internationale Reiterliche Vereinigung)– das Reglement bestimmte.

1952 Stockholm. Es begann die zivile Erneuerung der Military zur Vielseitigkeit. Zu den führenden Nationen gehörten neben den Briten insbesondere auch ländliche Amateurreiter aus Deutschland.

1963 Erholungspause auf 10min festgelegt

1964 in Tokio durfte erstmals eine Frau teilnehmen: Lana DuPont, gewann Mannschaftssilber mit der US-Equipe

1971 keine Extrapunkte mehr durch schnelleres Reiten

1990: durch Todesfälle und Verletzungen war Olympia gefährdet, besonders in  Sydney 2000 kam es zu mehreren schweren Unfälle - deshalb Änderung zum Kurzformat Athen

seit 1990 fanden jeweils 2 Jahre nach Olympia die Weltreiterspiele für 6 Pferdesportdisziplinen (Dressur, Springen, Vielseitigkeit, Distanzreiten, Fahren, Voltigieren) an einem Ort statt. Später auch noch Western-Dressur und Para-Dressur. (Stockholm 1990, Den Haag 1994, Rom 1998, Jerez 2002, Aachen 2006, Kentucky 2010, Normandie 2014, Tryon 2018). Zunehmend finden sich wegen des großen Aufwands weniger Veranstalter und es ist die Rede von der Aufgabe der Weltreiterspiele.

2004 in Athen wurde die Vielseitigkeit auf die heute übliche Kurzform beschränkt. Damit fiel die Rennbahn und die beiden Wegestrecken mit 12-18 km Länge weg. Pro Land/NOK durften maximal 5 Sportler starten, deren 3 beste Einzelergebnisse für die Mannschaftswertung galten.

2007: Aufgrund von wiederholten Unfällen und sogar Todesfällen von Reitern und Pferden steht die Sportart häufig in der Kritik. Insbesondere die Rotationsstürze („rotational falls“ ) bergen eine große Gefahr. Von der FEI wurde 2007 eine Arbeitsgruppe zur Sicherheit in der Vielseitigkeit eingerichtet. Ein Qualifikationsverfahren für Vielseitigkeitsprüfungen wurde erschaffen und es werden abwerfbare Teile an Geländehindernissen installiert (MIM Systeme u. a.) um die Sicherheit der Athleten und Tiere zu erhöhen.

seit 2011 ist das Tragen von Sicherheitswesten Level 3 im Gelände Pflicht

2019 Änderung der Bezeichnungen: aus CIC wird CCI; S für Short oder L für Long, aus CIC* wird CCI-2*S

2020 Änderung des Olympia-Reglements: nur noch 3 Starter pro Nation. Ersatzreiter sollen zum Einsatz kommen, Reiter, die im Gelände ausgeschieden sind, dürfen im Springen u.U. wieder starten. (Diese Änderung trifft bei den Reitern auf viel Kritik)

Olympische Medaillen:

- 1952 in Helsinki gewann DE Teamsilber und Einzelbronze

- 1956 in Stockholm Teamsilber und Einzelsilber

- 1976 in Montreal Teamsilber und Einzelbronze

Deutsche Goldmedaillen:

  • Team: 1936 Berlin, 1988 Seoul, 2008 Hongkong, 2012 London
  • 1936 Berlin Einzelgold: Hauptmann Ludwig Stubbendorff mit Nurmi
  • 2008 Hongkong Einzelgold: Hinrich Romeike mit Marius
  • 2012 London Einzel- und Mannschaftsgold für Michael Jung
  • 2016 Rio de Janeiro Einzelgold Michael Jung

Gold-Team 1936:

  • Ludwig Stubbendorf mit Nurmi
  • Rudolf Lippert mit Fasan
  • Konrad von Wangenheim mit Kurfürst

Gold-Team 1988:

  • Matthias Baumann mit Shamrock
  • Ralf Ehrenbrink mit Uncle Todd
  • Claus Erhorn mit Justyn Thyme
  • Thies Kaspareit mit Sherry

Gold-Team 2008:

  • Hinrich Romeike mit Marius
  • Andreas Dibowski mit Butts Leon
  • Ingrid Klimke mit Butts Abraxas
  • Frank Ostholt mit Mr Medicott
  • Peter Thomsen mit The Ghost of Hamish

Gold-Team 2012:

  • Peter Thomsen mit Barny
  • Dirk Schrade mit King Artus
  • Ingrid Klimke mit Butts Abraxas
  • Sandra Auffarth mit Opgun Louvo
  • Michael Jung mit Sam

Beispiele aus der Geschichte:

Olympische Premiere 1912 in Stockholm:

(nur Offiziere waren zugelassen)

Tag 1: Ausdauerprüfung 55 km auf Weg- und Rennstrecken

erlaubte Zeit: 4 Stunden; vorgegebenes Tempo: 230m/min, gefolgt von einer Cross-Country-Strecke von 5 km mit einem vorgegebenen Tempo von 333m/min. Strafpunkte bei Zeitüberschreitung

Tag 2: Ruhetag

Tag 3: Hindernisrennen (Steeplechase) über 3,5 km mit 10 Sprüngen, vorgegebenes Tempo: 600m/min, Strafpunkte bei Zeitüberschreitung

Tag 4: Springprüfung

Tag 5: Dressurprüfung

(Bild: Fritz Thiedemann)

Ablauf 1924 in Paris: (FEI Reglement)

Tag 1: Dressurprüfung

Tag 2: Ausdauerprüfung:

  • Phase A: kurze Wegstrecke mit 5 Strafpunkten pro 5s Zeitüberschreitung
  • Phase B: Hindernisrennen (Steeplechase), Tempo 550m/min, 10 Strafpunkte für je 5s Zeitüberschreitung, 3 Punkte Gutschrift für je 5s Zeitunterschreitung
  • Phase C: lange Wegstrecke mit 5 Strafpunkten pro 5s Zeitüberschreitung
  • Erholungspause
  • Phase D: Cross-Country-Strecke, 10 Strafpunkte je 5s Zeitüberschreitung, 3 Punkte Gutschrift je 10s Zeitunterschreitung
  • Phase E: Viertelmeile (402,34m) auf Flachstrecke mit 5 Strafpunkten pro 5s Zeitüberschreitung

    Tag 3: Springprüfung

    1956 Stockholm: Bild: Roland Perret - Großvater der Familie Vogg - Gut Weiherhof

    Roland Perret nahm 1956 an den Olympischen Spielen in Stockholm teil. Mit Erlfried belegte er im Einzel den 31. Platz und mit der Schweizer Mannschaft Rang 8. Bemerkenswert war seine Fairness: Ein deutscher Reiter stürzte während Rolands Geländeritt, woraufhin er einen großen Zeitverlust in Kauf nahm, um das Pferd des deutschen Reiters einzufangen und dem Reiter zu übergeben. Queen Elisabeth betitelte ihn dafür als ein Beispiel für Fairplay.

    Athen 2004 - "Siegerin der Herzen"

    In Athen 2004 stand die Deutsche Bettina Hoy sowohl mit der Mannschaft als auch im Einzel bei der Siegerehrung ganz oben auf dem Podest. Wenige Tage später wurden ihr und der deutschen Mannschaft die Medaillen jedoch aberkannt: Bei der Zeitmessung waren Reiterin und Jury ein Fehler unterlaufen, der im nachhinein zum Nachteil der Deutschen ausgelegt wurde.

    (Bild: faz, Bettina Hoy)

    Quellen:

    wikipedia.org

    Eventing-nation.com

    olympia-lexikon.de

    buschreiter.de

    youtube.com

    pferd.de

    pferde-reitsport.com

    meinepferde.eu

    Ärzte-im-reitsport.de

    Hippothek.de

    Pferdewoche.ch